(Kein eigener Text, sondern es wird ausschliesslich aus dem Urteil zitierthttp://openjur.de/u/681308.html
Das Urteil wurde in den höheren und höchsten Intanzen bestätigt und ist rechtsgültig)
"Feinstaub" - Absatz 109+110
"...Da der Rauch auch feste Partikel enthält, sammelt dieser sich in der Raumluft an und lagert sich zudem auf den Oberflächen des Raums dauerhaft ab, wo er weiter Schadstoffe emittiert. Dagegen schrumpfen die beim Betrieb der E-Zigarette entstehenden Nano-Tröpfchen in der Lunge und lösen sich mit der Zeit auf,
vgl. Fraunhofer Institut für Holzforschung, Dr. Tobias Schripp, in: Forschung Kompakt 12, 2012, "Elektronische Zigarette auf dem Prüfstand"."
Aromen sowie PG (Propylenglykol) + VG (Glycerin) - Absatz 111-115:
"Die im Dampf vorkommenden Duft- und Aromastoffe und die Vernebelungsmittel Propylenglykol, Glycerin und/oder Ethanol haben im Vergleich mit den toxischen und kancerogenen Stoffen des Passivrauchs bei kurzfristiger Exposition eher ein geringes toxisches Potential. Bei oraler Aufnahme in geringen Mengen sind sie in der Regel unbedenklich und als Zusatzstoffe in Lebensmitteln, Körperpflegeprodukten und sogar in Arzneimitteln für die orale oder dermale Anwendung rechtlich zugelassen,
vgl. DKFZ, "Elektrische Zigaretten", 2013, a.a.O., S. 7, Ziff. 3.1.1., 3.1.2.
Bei den Aromastoffen werden teilweise allergische Reaktionen diskutiert. Welche Auswirkungen diese Stoffe allerdings haben, wenn sie in größerer Menge oder längerfristig durch Inhalation über die Lunge aufgenommen werden, ist bisher noch ungeklärt. Insbesondere wird der Stoff Propylenglykol (Diskonebel) bei einer Exposition in größerem Ausmaß für akute Reizungen der Atemwege und der Augen, möglicherweise auch für eine vorübergehende Beeinträchtigung der Lungenfunktion verantwortlich gemacht,
vgl. DKFZ, "Elektrische Zigaretten", 2013, S. 7, Ziff. 3.1.1 und 3.2; BfR, Stellungnahme Nr. 016/2012 vom 24.02.2012, S. 4, Ziff. 3.2 und 3.3
Über die Langzeitfolgen einer erheblichen Exposition von Propylenglykol durch Konsum von E-Zigaretten oder Belastung der Raumluft durch E-Dampf liegen allerdings keine Erkenntnisse vor. Damit bestehen derzeit keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür, dass diese Stoffe langfristig dieselben schweren Gesundheitsschädigungen mit zum Teil tödlichen Folgen hervorrufen können wie Passivrauch."
Nikotin - Absatz 116-137
Auch die Gesundheitsrisiken durch die Aufnahme von Nikotin durch Nichtkonsumenten sind nicht mit den schwerwiegenden Folgen des Passivrauchens zu vergleichen. Das in vielen Liquids enthaltene Nikotin ist zwar für den Konsumenten der wichtigste akut und langfristig wirkende Risikofaktor. Es ist ein starkes Suchtmittel und ein Nervengift, das im Gehirn die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter bewirkt. Diese führen wiederum neben den erwünschten psychischen Effekten zu den bekannten akuten Wirkungen, nämlich einer Steigerung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Atemfrequenz, einer Steigerung der Magensaftproduktion und der Darmtätigkeit sowie einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes mit der Gefahr von Thrombosen; es kann ungeborene Kinder schädigen,
BfR, Stellungnahme Nr. 016/2012 vom 24.02.2012, Ziff. 3.2 und 3.3, DKFZ, "Elektrische Zigaretten", 2013, Ziff. 3.1.3.
Ob die Aufnahme von reinem Nikotin auch langfristig zu Gesundheitsschäden führt, ist dagegen unbekannt. Nikotin ist nicht krebserzeugend. Die schwerwiegenden Gesundheitsschädigungen durch Tabakrauch werden vorwiegend auf die zuvor genannten Schadstoffe zurückgeführt, die überwiegend durch den Verbrennungsvorgang entstehen. Da Nikotin im Körper sehr schnell verteilt und abgebaut wird, ist eine längerfristige schädliche Wirkung - abgesehen von der Abhängigkeit - eher fraglich. In einem Tierversuch erwies sich die Zufuhr von reinem Nikotin durch Inhalation über einen Zeitraum von 2 Jahren als unschädlich,
vgl. Wikipedia, Nicotin, unter: "Toxische Wirkung", Abruf vom 16.02.2014; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Informationsreihe "Die Sucht und ihre Stoffe" Titel 2 "Nikotin", unter: "Auf lange Sicht: Folgeschäden"; Waldum et al. "Longterm effects of inhaled nicotine, Life Science 1996, 58, www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed, Abruf vom 17.02.2014.
In der zugelassenen Gebrauchsinformation des Arzneimittels "Nicorette Inhaler”, das Nikotin zum Zweck der Entwöhnung freisetzt, heißt es dementsprechend: "Die Anwendung von Nikotin allein ist weniger schädlich als Tabakrauchen." Von einer Gefahr für Dritte durch die Anwendung dieses Arzneimittels ist in der Packungsbeilage nicht die Rede.
Dementsprechend formuliert das Bundesinstitut für Risikobewertung auch sehr zurückhaltend, dass die physiologischen Wirkungen des Nikotins für den Konsumenten "ebenfalls ernste chronische Erkrankungen begünstigen könnten", ohne diese allerdings zu benennen.
vgl. BfR, Stellungnahme Nr. 016/2012 vom 24.02.2012, Ziff. 3.3, S. 8.
Es ist insbesondere bisher ungeklärt, ob überhaupt hinreichende Mengen des Nikotins in die Raumluft gelangen, um zu akuten Wirkungen oder chronischen Gesundheitsschäden für den Nichtkonsumenten zu führen. Das ist fraglich, weil Nikotin bei der Inhalation zu über 95 % in der Lunge des Konsumenten resorbiert wird und daher nur in kleinen Mengen wieder an die Raumluft abgegeben werden kann,
vgl. BfR, Stellungnahme Nr. 016/2012 vom 24.02.2012, Ziff. 3.4, S. 9; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Informationsreihe "Die Sucht und ihre Stoffe" Titel 2 "Nikotin", unter: "Wirkungsweise".
Das Deutsche Krebsforschungszentrum nimmt an, dass zwar geringe Mengen von Nikotin durch den Betrieb von E-Zigaretten in die Raumluft emittieren und deshalb "eine gesundheitliche Belastung Dritter nicht ausgeschlossen werden kann." Es konstatiert jedoch gleichzeitig dringenden Forschungsbedarf hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen. Daraus ist zu entnehmen, dass insbesondere längerfristige Auswirkungen eines tabakfreien Nikotinkonsums bisher nicht konkretisiert werden können,
DKFZ, "Elektrische Zigarette", 2013, Ziff. 3.4, S. 11 und 12.
Im Gegensatz zum Passivrauch kann daher derzeit nicht von einem gesicherten Risiko schwerwiegender Erkrankungen von Lunge und Gefäßsystem durch eine Zufuhr von isoliertem Nikotin über die Raumluft ausgegangen werden.
Schließlich muss bei der Beurteilung der Risiken von E-Zigaretten für Nichtkonsumenten berücksichtigt werden, dass bei einzelnen Produkten krebserzeugende Substanzen im Nebel festgestellt wurden, die auch im Tabakrauch vorkommen, beispielsweise Nitrosamine, Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein, ferner einige Schwermetalle und Silikatpartikel,
vgl. DKFZ, "Elektrische Zigarette", 2013, Ziff. 3.1.4 und 3.4.
Die Herkunft dieser Stoffe ist unklar. Es wird zum Teil angenommen, dass es sich um Verunreinigungen aus der Nikotinherstellung handelt oder um Zersetzungsprodukte, die bei der Erhitzung von Glycerin entstehen. Teilweise wird auch diskutiert, ob es sich um normale Stoffwechselprodukte im Atem handelt,
vgl. Wikipedia, "Elektrische Zigarette", Abruf vom 17.02.2014.
Die Mengen der meisten gemessenen Substanzen waren allerdings im Nebel deutlich geringer als im Rauch von konventionellen Zigaretten. Demnach kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Konsum derartiger Liquids das Krebsrisiko erhöht, da auch geringe Mengen genotoxischer Kanzerogene die Erbsubstanz der Zelle irreversibel schädigen und sich bei wiederholter Einwirkung aufaddieren. Jedoch führen derartige Zellschädigungen nicht zwingend zu einem Tumor, da das Risiko mit abnehmender Dosis proportional sinkt,
vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum, Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko, 2006, Ziff. 1 "Inhaltsstoffe des Passivrauchs", S. 10; DKFZ, "Elektrische Zigaretten", 2013, Ziff. 3.1.4 und 3.4.
Ob die in die Raumluft gelangenden Restmengen dieser krebserregenden Substanzen auch bei Nichtkonsumenten das Krebsrisiko erhöhen könnten, wird in der Stellungnahme des DKFZ zur Elektrischen Zigarette offen gelassen. Vielmehr wird hier lediglich von einer Belastung der Raumluft gesprochen. Demnach lässt sich auch das Gesundheitsrisiko durch eine Belastung der Raumluft mit einzelnen krebserregenden Substanzen in Kleinstmengen mit den nachgewiesenen Wirkungen des Passivrauchs auf die Entstehung von Krebs, insbesondere Lungenkrebs, nicht vergleichen. Es wird angenommen, dass in Deutschland jedes Jahr rund 260 Menschen an durch Passivrauch bedingtem Lungenkrebs sterben,
vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum, Gesundheitsschäden durch Rauchen und Passivrauchen, 2008, Ziff. 2.
In einer vergleichenden Studie von krebserzeugenden Substanzen in der Raumluft wurden - im Gegensatz zum Tabakrauch - bei keinem Test die Grenzwerte für Kinder oder Erwachsene durch die gemessenen Mengen im Passivdampf überschritten,
vgl. McAuley et al., "Comparison of the effects of ecigarette vapor and cigarette smoke on indoor air quality", 10/2012, www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed.
Diethylenglykol + Schwermetalle - Abs. 138
"Weitere Gesundheitsrisiken durch die im Nebel von E-Zigaretten in Einzelfällen gefundenen pharmakologischen Substanzen, von Diethylenglykol (Glykolwein) oder durch zum Teil krebserregende Schwermetalle können zwar nicht ausgeschlossen werden. Aber abgesehen davon, dass es sich hierbei nicht um charakteristische und damit verallgemeinerungsfähige Produktmerkmale handelt, führen auch diese Substanzen nicht dazu, dass der Dampf in seiner Zusammensetzung auch nur annähernd dem Tabakrauch gleicht und damit dieselben Gesundheitsgefahren auslöst."
Nichtraucherschutz - Abs. 142
"...es führt nach Auffassung der Kammer bereits die einfachgesetzliche Auslegung zum Ergebnis, dass der Gebrauch der E-Zigarette vom Gesetzeswortlaut und Schutzzweck der Norm, nämlich dem Schutz des Nichtrauchers vor den Gefahren des Passivrauchs, nicht erfasst wird."
Risikoprüfung - Abs. 157-159, 162-163
"...hätte der Gesetzgeber allerdings auch eine eigene Risikoabschätzung der E-Zigarette unter Berücksichtigung des bisherigen Forschungsstandes vornehmen müssen und den Grundrechtseingriff mit den betroffenen Grundrechten der Nutzer von E-Zigaretten und Gastwirten abwägen müssen,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.02.2002 - 1 BvR 1676/01 - juris, und Urteile vom 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07 - u.a. - juris.
Dies ist im Gesetzgebungsverfahren - soweit ersichtlich - nicht geschehen. Die Berufung auf die Stellungnahme des BfR vom 24.02.2012 und damit auf unklare Belastungen der Raumluft ist hierfür - wie ausgeführt - nicht ausreichend. Der Gesetzgeber kann die Aufgabe, klare Festlegungen für Verbotsgesetze zu treffen und diese zuvor im Hinblick auf den Grundrechtseingriff eingehend zu prüfen und zu begründen, nicht dadurch erfüllen, dass er im Gesetzgebungsverfahren die Geltung eines Verbotsgesetzes auf einen neuen Eingriffstatbestand einfach für anwendbar erklärt."
"Vollzugsprobleme sind nicht zu erwarten, da eine Unterscheidung zwischen einer Tabakzigarette und einem elektrischen Gerät leicht und zuverlässig zu treffen ist. Darüber hinaus wären derartige Probleme nicht geeignet, das Verbot einer neuartigen Produktgruppe ohne eine entsprechende Risikoprüfung zu rechtfertigen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.08.2013 - 4 B 608/13 - juris."
Willkür - Abs. 159
"...Der Gesetzgeber kann die Aufgabe, klare Festlegungen für Verbotsgesetze zu treffen und diese zuvor im Hinblick auf den Grundrechtseingriff eingehend zu prüfen und zu begründen, nicht dadurch erfüllen, dass er im Gesetzgebungsverfahren die Geltung eines Verbotsgesetzes auf einen neuen Eingriffstatbestand einfach für anwendbar erklärt."